Mein erster Wissenschaftsfilm 🙂
Ich freue mich sehr heute den ersten Film auf diesem Blog zu teilen! Während einer Wissenschaftsfilm-Veranstaltung, dem Exposure Science Film Hackathon Lausanne 2018, hatte ich die Gelegenheit mit einem Team aus Wissenschaftlern, Filmemachern und Wissenschaftskommunikatoren den sehr coolen Wissenschaftsfilm “Happy Growth” (dt. “Glückliches Wachstum”) zu machen. Als Thema haben wir den wundersamen Stickstoffkreislauf gewählt, das Gebiet von meiner Doktorarbeit. Also folgt bitte diesem Link und genießt das Video!
Leider ist das Video nur auf Englisch und ohne Untertitel verfügbar, daher hier der Text auf Deutsch, wenn etwas nicht verstanden wurde:
Ich hoffe, der Film hat euch unterhalten, ihr habt etwas gelernt und wurdet dazu inspiriert mehr zu erfahren! Wenn dem so ist, würde ich gerne ein paar Hintergrundinformationen geben.
Die Geschichte des Stickstoff-Düngers
Stickstoff-Dünger sind extrem wichtig in der Landwirtschaft und wirklich eine wunderbare Sache. Pflanzen brauchen Stickstoff, da es ein essentielles Element ist. In der Luft gibt es zwar jede Menge in der Form von Stickstoff-Gas (N2), aber diese unreaktive Verbindung kann nicht von Pflanzen genutzt werden, nur von wenigen spezialisierten Mikroorganismen. Bis ca. 1920 hatten viele Böden einen Nährstoffmangel, der durch Landwirtschaft mit der Zeit noch vergrößert wird. Deshalb haben die zwei deutschen Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch Anfang des 20. Jahrhunderts einen Prozess entwickelt, der N2 aus der Luft in reaktives Stickstoff in der Form von Ammoniak (NH3) umwandelt, was Pflanzen nutzen können. Es ist schon erstaunlich, dass wir sehr hohe Drücke und Temperaturen, also sehr viel Energie, für diese Reaktion brauchen, während Mikroorganismen es unter normalen Bedingungen schaffen. Die Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens ermöglichte das Wachstum der menschlichen Population von 2 Milliarden zur heutigen Größe. Nebenbei bemerkt hatten die zwei Chemiker ein ziemlich aufregendes Leben, was die enge Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zeigt. Beide haben den Nobelpreis in Chemie für ihren Stickstofffixierungs-Prozess erhalten. Fritz Haber hat aber auch eine mächtige chemische Waffe für den I. Weltkrieg entwickelt, woraufhin sich seine Frau das Leben nahm, vermutlich als Protest. Interessant ist auch, dass er in Basel gestorben und begraben ist.
Segen und Fluch
Als die neuen synthetischen Düngemittel erst einmal etabliert waren, erfreuten die enormen Anstiege der Erträge bald jeden. Aber am Anfang dachten die Leute nicht wirklich über die potentiellen negativen Konsequenzen der (exzessiven) Verwendung von Stickstoff-Düngern nach bzw. sie kannten sie noch nicht. Von denen gibt es nämlich einige, wie die Verschlechterung von Bodeneigenschaften, die Kontamination von Grundwasser und die Anreicherung von Nährstoffen in Binnengewässern und Küstenzonen, da der Dünger im Boden umgewandelt wird und dann durch Transport in aquatische Systeme gelangt. Dieser Prozess wird Eutrophierung genannt und kann vermehrtes Algenwachstum, damit die Produktion von Giftstoffen und das Aufbrauchen von Sauerstoff zur Folge haben, was zu Fischsterben führt. Dies sind Konsequenzen, die mehr oder weniger direkt sind und nicht vorhergesehen wurden. Erst recht aber der indirekte Effekt von Düngemitteln, nämlich dass sie zu Treibhausgasen umgewandelt werden und die Erde erwärmen, wurde erst viel später bedacht. Mikroorganismen in Böden, im Süßwasser und in Ozeanen produzieren unter verschiedenen Umweltbedingungen natürlicherweise Distickstoffoxid (N2O), was auch als Lachgas bekannt ist, indem sie andere Stickstoffverbindungen umwandeln. Die Verwendung von Stickstoff-Dünger steigert diese Prozesse enorm, indem quasi nicht nur die Pflanzen, sondern auch die Mikroorganismen gefüttert werden. Durch die synthetische Herstellung und das Ausbringen von Dünger ist der gesamte globale Stickstoffkreislauf aus den Fugen geraten, da es jetzt einfach viel mehr Nährstoffe auf der Erde gibt – ein riesiges Problem.
Die Bedeutung von Lachgas
Stickstoff-Dünger liefert den Hauptbeitrag zum Anstieg der atmosphärischen Lachgas-Konzentrationen um 18% seit der Erfindung des Haber-Bosch-Prozesses. Eine andere wichtige Quelle is Gülle, die vor allem aus Kot und Urin von Kühen und Schweinen besteht und mit viel Stickstoff ein Paradies für Mikroorganismen ist. Andere industrielle Prozesse tragen zu einem kleineren Teil bei. Lachgas ist nach Kohlendioxid und Methan das dritt-einflussreichste vom Menschen gemachte Treibhausgas und hat einen Anteil von 8% zum anthropogenen Treibhaseffekt. Es ist ein Gas mit einer langen durchschnittlichen Lebenszeit von ~120 Jahren und eine Verbindung, die die schützende Ozonschicht abbaut – ein weiterer Grund Lachgas-Emissionen zu reduzieren. In den Medien hören wir zum größten Teil nur von Kohlendioxid. Ja, es ist das wichtigste Treibhausgas, das vom Menschen produziert wird und dessen Emissionen müssen verringert werden. Aber lasst uns nicht andere Treibhausgase vergessen und lasst uns einen Blick auf die Landwirtschaft werfen und sehen, was wir dort ändern können! Denn inzwischen kennen wir den Stickstoffkreislauf sehr gut und wissen, welche Konsequenzen Dünger hat. Einige Dinge könnten das Gleichgewicht im globalen Stickstoffkreislauf verbessern und Lachgas-Emissionen minimieren.
Wie können wir Lachgas-Emissionen reduzieren?
Die Verwendung von Stickstoff-Dünger auf ein benötigtes Minimum reduzieren
Damals war die Einstellung so ziemlich “je mehr, desto besser” und auch heute noch werden oft mehr Düngemittel verwendet als nötig. Auf der anderen Seite sind die Böden in einigen Regionen wie in Afrika immer noch arm an Nährstoffen, weil sich dort die Landwirte keinen Dünger leisten können. In Europa, als Beispiel, ist die jährlich verwendete Menge an Stickstoff-Dünger inzwischen mehr oder weniger stabil, aber global gesehen, mit dem größten Anteil von Asien, nimmt die Verwendung von Stickstoff-Dünger immer noch zu. Im Allgemeinen sollte überall nur so viel Dünger wie tatsächlich benötigt und in einer kontrollierten Art und Weise verwendet werden, was vor allem eine Angelegenheit von gesetzlicher Regulierung, Landwirtschaft und auch Dünger-Herstellern ist.
Biologische Landwirtschaft unterstützen
Das Ziel von biologischer Landwirtschaft ist es, die Herstellung von Lebensmitteln so gesund wie möglich zu gestalten, sowohl für uns als auch für die Natur. Dies schließt den geringstmöglichen Einsatz von Pestiziden und künstlichen Düngemitteln mit ein. Daher sollten Konsumenten und die Politik dies unterstützen.
Die Überproduktion und das Verschwenden von Lebensmitteln reduzieren
Wenn man in die Supermärkte der entwickelten Welt schaut: Sie sind voll. Dies repräsentiert die Überproduktion von Lebensmitteln, während in Entwicklungsländern Menschen immer noch hungern. Wenn es eine Überproduktion an Essen gibt, gibt es automatisch auch eine Verschwendung. Einige Vorschriften wie z.B. Industrienormen, die keine Lebensmittel erlauben, die nicht perfekt aussehen, tragen auch zur Verschwendung bei. Wenn entsorgtes Essen verrottet, entsteht dabei nicht nur Kohlendioxid, sondern auch das starke Treibhausgas Methan. Daher ist es wichtig die Überproduktion und die Veschwendung von Lebensmitteln zu reduzieren, auch wenn sich die Umsetzung als schwierig gestaltet. Maßnahmen wie z.B. Vertragslandwirtschaft, bei der der Absatz der Ernte durch Verträge zwischen Bauern und Konsumierenden garantiert wird, würden auch die Probleme, die Düngemittel verursachen, minimieren.
Die Produktion von Fleisch und anderen tierischen Produkten verringern – und zwar viel!
Die Produktion von Fleisch und Milchprodukten ist wirklich schlecht für das Klima und nicht nur wegen der Gülle, die Treibhausgase freisetzt. Tierische Nahrung benötigt in der Herstellung viel mehr Ressourcen als pflanzliche Nahrung. Unter anderem werden viele der Pflanzen, die wir anbauen, an die Tiere verfüttert. Das heißt, ohne die Tiere müssten wir weniger Nutzpflanzen anbauen und weniger Dünger verwenden. Und hier spreche ich erst gar nicht vom Methan, das massiv von Kühen ausgestoßen wird. Natürlich müssen wir jetzt nicht komplett auf tierische Produkte verzichten, aber es ist wichtig die Anzahl an Nutztieren zu reduzieren um unserem Klima zu helfen.
Die Größe der menschlichen Population stabilisieren
Es gibt mehr als 7,5 Millarden Menschen auf der Erde und die Zahl steigt kontinuierlich. Je mehr Menschen es gibt, desto mehr Ressourcen werden benötigt um sie zu ernähren. Das heißt, wir müssen mehr Pflanzen anbauen, für die wir mehr Wasser und Land und mehr Düngemittel benötigen. Es ist logisch, dass die Erde keine unendliche Anzahl an Menschen beherbergen kann. Auch wenn es nicht in den nächsten Jahrzehnten passieren wird, wird es irgendwann keine Ressourcen für noch mehr Menschen geben. Aber wenn dieser Punkt erreicht ist, wird die Erde lange nicht mehr so bewohnbar sein, wie sie heute noch ist. Daher ist es sehr wichtig die Größe der menschlichen Bevölkerung eher früher als später zu stabilisieren. Natürlich ist es eine große Herausforderung aufgrund verschiedener politischer und kultureller Gründe, aber mit Maßnahmen, die den Menschen eine freie Wahl bzgl. Nachwuchs lassen, wie der freie Zugang zu Verhütungsmitteln und die Verbesserung der Bildung – besonders für Mädchen – könnte viel erreicht werden.
Zeit für Wandel!
Die Erde und die Menschen auf ihr sind in großer Gefahr. Der Klimawandel beeinflusst bereits das Leben auf der Erde und er wird es in Zukunft immer mehr tun. Wie schlimm es werden wird, liegt an uns. Es ist nicht die Zeit um kleine Änderungen vorzunehmen und abzuwarten. Wir müssen drastische Maßnahmen ergreifen um die Klimaerwärmung aufzuhalten. Eine Macht, die wir im Bereich des Stickstoffes haben, ist die Wahl von klimafreundlicheren Nahrungsmitteln. Änderungen müssen aber auch von höheren Instanzen kommen, z.B. muss die Politik strenger mit ihren Vorschriften sein und sie darf nicht den Lobbies zu Kosten der Natur nachgeben.
Es gibt viel mehr Aspekte zu diesem Thema aus der Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ich hoffe erst einmal, dass ich euch für den wundersamen Stickstoffkreislauf und dessen vom Menschen verursachtes Ungleichgewicht interessieren konnte!
Übrigens, falls ihr euch gewundert habt: Lachgas hat nur bei sehr hohen Konzentrationen einen narkotisierenden oder euphorisierenden Einfluss auf den Menschen. Die atmosphärischen Konzentrationen sind viel zu klein dafür 😉
Am Ende einige Impressionen von der Entstehung des Films!
Wir hatten Spaß! Ich hielt das Mikrophon während dem Dreh – ziemlich schwer! Es hat einige Zeit gebraucht um die Stop-Motion Sequenz zu machen, aber ich mag das Ergebnis sehr und es hat Spaß gemacht!
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